Ein alter Mann erhält alljährlich zu seinem Geburtstag eine Blume. Vor mehr als 40 Jahren hatte seine Nichte, Harriet Vanger, ihm ein ebensolches Geschenk gemacht. Während eines Treffens der Großfamilie Vanger ist sie 1964 verschwunden. Der Wirtschaftsjournalist Mikael Blomkvist wird beauftragt den Fall noch einmal aufzurollen. Glaubt er zu Beginn des Romans nicht an eine Aufklärung des Verschwindens, dennoch wird er immer tiefer in die dunklen Geheimnisse der Familie Vanger hineingezogen. Hilfe erfährt er durch eine begabte Hackerin, Lisbeth Salander. Zu Anfang zieht sich dieser Thriller ein wenig. Ärgerlich im gesamten Roman ist das wiederholte Erzählen von Ereignissen und allzu genaue Aufzählungen von Gegenständen, ohne dass diese eingehender beschrieben werden oder eine Rolle für den Ablauf der Erzählung haben. Dennoch liegt mit „Verblendung“ ein spannender Thriller vor, der nicht zuletzt durch die Hauptfiguren (vor allem Salander) ein kurzweiliges Leseerlebnis bietet.

Ein Vater und sein kleiner Sohn laufen an mir vorbei. Der Sohn hält stolz ein Päckchen Streichhölzer in der Hand.
Sohn: Papa? Streichhölzer darf man erst mit 18, oder?
Vater: Wenn überhaupt…

Der Anfang des Romans: „Juli 2005. Es war der Sommer, als Kim die Chevette fuhr, mit J.P. zusammen war und sich das Haar wachsen ließ. Der letzte Sommer, der beste Sommer, von dem sie seit der achten Klasse geträumt hatten (..). Im Sommer würden sie aufs College gehen, wo sich Kim, wenn sie sich genug Mühe gab, hoffentlich in einen anderen Menschen verwandeln würe, der geheimnisvoll und unabhängig war und nichts mehr mit Kingsville zu tun hatte. “
Kim, die Figur, von der alles in diesem Roman abhängt, hat nur im ersten Kapitel die Möglichkeit aus ihrer Sicht zu erzählen, denn Kim verschwindet spurlos an einem Punkt in ihrem Leben an dem sich alles für sie ändern sollte. Die Veränderung, die sich für Kim ankündigte, trifft plötzlich die Dagebliebenen, die Suchenden. Die einzelnen Kapitel werden aus der Sicht der Familie und ihrer Freunde über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren erzählt. Auf jede dieser Figuren hat das Verschwinden andere Auswirkungen und jede der Figuren beginnt sich unter den Fragen und Nöten des Verschwindens zu verändern.
„Das Problem war, dass alles miteinander zusammenhing. Eine Lüge verbarg die andere, und die wiederum eine dritte, die auf einer vierten beruhte.“ Immer weniger erfährt der Leser über die eigentlich vermisste Kim, vielmehr erfährt er immer mehr über die anderen Personen. So wie über die kleine Schwester, die bisher im Schatten der großen Schwester stand, auch sie dringt immer weiter zu sich durch. „Sie nahm ihre Uhr ab und legte stattdessen das Armband an, spürte die Abwesenheit des einen und die Anwesenheit des anderen genau.“
Der Autor führt den Leser durch eine klare Sprache in das (Innen-)Leben der einzelnen Figuren, wodurch man die verschiedenen Formen des Umgangs mit dem das unfassbare Verschwinden der Tochter, der Schwester und Freundin aufgenommen wird, scheinbar direkt miterleben kann. Besonders interessant wird dies durch die unterschiedlichen Blickwinkel, aber auch durch die Zeit und die persönlichen Entwicklungen der Figuren.
Man sollte sich nicht durch den Klappentext verwirren lassen. Den angekündigten „hochliterarischen Thriller“ wird man hier nicht finden. Eine klassische Tätersuche, oder gar Spannungselemente wird man vergeblich suchen. Eindringliche Literatur auf hohem Niveau, die findet man, die jedoch relativ wenig wert auf Handlungselemente legt, sondern vielmehr auf die einzelnen Figuren.
Es ist ein Buch, das noch eine ganze Weile nachklingt.

„Die Nacht, in der die Mauer fiel.“ wurde von Renatus Deckert herausgegeben. In dieser Anthologie erzählen Schrifststeller, wie sie die Nacht des Mauerfalls erlebt haben. Ich hatte mich sehr auf diesen Band gefreut, allerdings lässt er mich etwas ratlos zurück. Schlecht geschrieben sind die einzelnen Erzählungen nicht, auch erhält man Einblicke in die unterschiedlichsten Lebenszusammenhänge.
In vielen Geschichten erscheint der Satz: Ich erinnere mich nicht. Unproblematisch ist dies bei Antje Strubel, da das Erinnern an anderen Stellen wiedereinsetzt und eine ganze Geschichte zutage fördert, problematisch ist es bei denjenigen, die es dabei belassen und auch wenig „aktualisieren“, d.h. die Geschehnisse werden nicht auf spätere Ereignisse und zu wenig auf die eigene Person bezogen. Der Mauerfall als historisches Ereignis (der auch mal gerne „verschlafen“ wurde) muss nicht zwingend in diesen Geschichten vorkommen, aber die Prozesse der staatlichen und -für mich noch viel wichtiger- der persönlichen Veränderungen durch dieses Ereignis hätten in einzelnen Beiträgen einen größeren Raum verdient. Trotzdem ist Deckert durch die Ansammlung von Autoren aus Ost und West, eine abwechslungsreiche Anthologie, die verschiedene Blickwinkel auf dieses Großereignis erlaubt, gelungen und die meisten Erzählungen sind sehr lesenswert. Was mir in vielen der Geschichten aufgefallen ist, dass kaum davon geschrieben wurde, was der Mauerfall für die Schriftstellerei bedeutete. Es scheint, als habe er nur einen geringen/keinen Einfluss haben können auf das Schreiben, was an und für sich auch eine Aussage ist.

In den letzten Tagen habe ich mich weniger mit Büchern, als mit Stoffen und meiner Nähmaschine auseinandergesetzt. Entstanden sind Vorhänge, Kissenbezüge und zuletzt eine wunderhüsche, bunte Tasche.

Am Wochenende habe ich mal wieder den Riehler Flohmarkt, der hier Trödelmarkt heißt, aufgesucht und wieder allerhand Bücher abgegrast:

Christa Wolf: Der geteilte Himmel, wird gerade parallel zur Anthologie gelesen.

Irmgard Keun: Ich lebe in einem wilden Wirbel. Briefe an Arnold Strauss. 1933 bis 1947. Hg: Gabriele Kreis und Marjory S. Strauss.

Irmgard Keun: Gilgi- eine von uns.

Maxie Wander: Leben wär`ne prima Alternative. Tagebuchaufzeichnungen und Briefe.

Patrick Redmond: Das Wunschspiel .

Man wird hier immer irgendwie fündig, auch wenn, jetzt nach dem Umzug ich immer noch keine 100%ige Lösung für die tendenziell überquellenden Regale habe und meine ursprüngliche Überlegung ein ungelesenes und ein neuerworbenenes Buch im Wechsel zu lesen, sich „irgendwie“ nicht durchsetzen lässt.

Und jetzt setze ich mich wieder an die ratternde Maschine. Dieses Mal wird es eine kleine Büchertasche, damit die „Transportsicherheit“ gewährleistet ist. Man hat ja sonst nichts zu tun. :o)

Vor ein paar Tagen habe ich festgestellt, dass sich mein Schwedisch rapide verschlechtert hat. Bei meinen ungelesenen Schätzen habe ich Jenny von Jonas Gardell entdeckt, mit dem ich diesen Misstand zu bekämpfen suche.
Wieder werden wir in die Kleinstadt nahe Stockholms geführt und begegnen Juha und Jenny und all den anderen wieder. Düsterer und beklemmender scheint es dieses Mal zu werden, da Juha versucht herauszufinden, was mit Jenny in der Schulabschlussnacht vor 24 Jahren geschehen ist.
Ett ufo gör entre war mein erstes schwedisches Buch, das ich beendet habe (und auch verstanden habe), danach folgte, auch von Gardell, „Ein Komiker wächst heran“. Dieses Mal auf Deutsch. „Der Komiker“ hat mir weniger gut gefallen, da die im „Ufo“ beschriebenen Problematiken von Heranwachsenden weniger zum Tragen kommen, da die handelnden Personen im „Komiker“ noch sehr viel jünger sind. Einprägsam waren insbesondere im „Ufo“ die Irrungen und Wirrungen der Teenagerzeit, die Erfahrung von Einsamkeit und das Aussenseiterdasein Juhas. Und dies in einer gelungenen Mischung von Tragik und Komik, die nun auch auf den ersten Seiten von „Jenny“ zum Tragen kommt.

Mein persönlich gesetztes Bewerbungssoll ist für heute auch erfüllt. Ab an den Rhein…

Ganz frisch aus der Buchhandlung geholt und bereits Frau Strubels Beitrag gelesen, fällt mir bei den Kürzestvorstellungen der Autoren auf, dass von fünfundzwanzig Autoren neunzehn in Berlin leben. (Dazu noch den Herausgeber macht zwanzig.)
Klappt es kaum mit der literarischen Karriere, wenn man nicht in Berlin lebt? Oder braucht man die Mitstreiter? Und die Texte und Themen werden nicht zu einem Einerlei- irgendwann?
Die Anthologie macht einen ganz interessanten und abwechslungsreichen Eindruck. Strubel und Kubiczek gefallen bisher am besten, mal sehen, was noch kommt.

Manchmal wartet man auf das Erscheinen eines Buches. Auf dieses hier habe ich ein Jahr gewartet. Damals hatte Findeis beim Wettlesen teilgenommen und ihm hätte ich gerne den Hauptpreis verliehen.. Ganz leer ging er auch nicht aus, aber trotzdem.
Zum Buch:
Rottensol heißt das Kaff in der Nähe Stuttgarts in dem ein Großteil der Geschichte spielt. Nichts geht mehr. Keine romantische Dorfidylle wird hier geschildert. Noch nicht einmal eine freilaufendes Huhn kreuzt die Augen des Lesers. Wie die Landwirtschaft verschwunden ist, so sind auch die in der Provinz vermuteten engen Banden des Zusammenhalts verschwunden. Hinter jeder Tür lauert ein Abgrund, den Findeis bis in die Kindheit der Protagonisten verfolgt. Im Mittelpunkt stehen einige jüngere Männer, denen die Flucht aus der Enge der Provinz nicht gelungen ist. Auf unterschiedliche Weise kehren sie in die Elternhäuser zurück, nicht immer freiwillig.
So insbesondere Uwe, der sich immer wieder zu berappeln scheint, auf seiner immer wieder enttäuschten Suche nach Nähe. Ungeliebt vom Vater, denn Uwe ist allem Anschein nach der Sohn des Nachbarns, erfährt er, abgeschoben zur Oma, etwas wie Liebe bei ihr. Diese Geborgenheit ist aber nur von kurzer Dauer und weiter geht sein Weg durch enttäuschte Freundschaft, das nicht nur räumliche Abgeschobensein im Elternhaus, die durch die Lüge der Mutter verursachte abgebrochene Walz, die eher einseitige Liebe zu Nicki und schlussendlich die Renovierung eines „verschwammten“ Hauses. Ihm, der mir am meisten von den Figuren ans Herz gewachsen ist, schafft es nicht und geht zugrunde.
Was könnte ein Fazit dieses Buches sein? Die Provinz wirst du nicht los- möglicherweise, aber wenn sie uns einholt, dann laufen wir. Am Ende stellt Vater angesichts der beiden mehr oder weniger verlorenen Söhne fest: Es ist alles gut, wie es ist, sagte Lorenz: Wiener Schnitzel mit Kroketten, sagte er und nahm die Hände vom Tisch.
Du musst fahren? fragte Olaf, und Jürgen nickte.

Die wiedergekehrten Söhne flüchten erneut vor der drohenden Enge, dazwischen scheint aber eine Auseinandersetzung mit den Geschehnissen der Vergangenheit möglich, auch wenn diese eher einer persönlichen Natur ist, als eine Auseinandersetzung mit den Eltern.
Besonders hat mir die Sprache des Romans gefallen. Sie ist knapp und von eigentümlicher Klarheit, die vermag, dass man in diese Provinz immer weiter hineingezogen wird und das Geschehen in seiner Unausweichlichkeit getragen wird. Selbst aus einem Dorf, in dem die Männer, vor allem durch Alkohol vor der Zeit gehen und wenn man Kind ist, eine ganze Bandbreite Hoffnungen der anderen Kinder kennen lernt, die spätestens mit Eintritt in die Lehre verschwunden sind, erkenne ich viel Wahrheit in diesem Roman. Ähnlich wie damals die Alten, sitzen heute die (damals) Jungen mit ihrem Bierchen vorm TV, maximal noch Fußballfan, weder Bauern noch Dorffeste gibt es mehr. Und unser Gambrinus, das bei uns Schmiers hieß, hat schon seit Jahren geschlossen.
Das Buch wird neben meinen anderen Lieblingen einen Platz finden und sicher von Zeit zu Zeit herausgezogen werden. Nur eine Sache habe ich zu bemängeln, warum nur wurde Goldshof in Rottensol umgewandelt?

zum ersten Mal eine Autobatterie gewechselt und einen Sommerabend am Rhein verbracht.

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